Chinas milliardenschweres Megaprojekt einer »maritimen Seidenstraße« zwischen Ostasien, Afrika und Europa ist weit vorangeschritten. Diesem Netzwerk von Schifffahrtslinien und Häfen hat die EU bislang wenig entgegenzusetzen.
Im Sommer dieses Jahres hatte das „Internationale Maritime Museum Hamburg“ in einer eindrucksvollen Sonderausstellung an die kommerziellen und kulturellen Beziehungen zwischen China und Europa zwischen dem 13. und 17. Jahrhundert erinnert – Anlass für eine Betrachtung über die maritimen Komponenten der „Belt and Road Initiative“ (BRI), die im Dezember dieses Jahres in ähnlichen Fassungen sowohl in der Tageszeitung „junge Welt“ als auch in der maritimen Quartalszeitschrift WATERKANT erschienen ist.
Seit 2013 ist die Volksrepublik China bemüht, mit der BRI von der eigenen Pazifikküste über Zentralasien, Arabien, Ostafrika und Nahost bis Westeuropa ein wirtschaftliches und kulturelles Netzwerk zu etablieren, das sich bewusst an den mittelalterlichen Begriff „Seidenstraße“ anlehnt: Damals waren chinesische Waren – darunter eben auch in Europa begehrte Seide – nicht nur auf dem Landweg (der eigentlichen „Seidenstraße“) über die Mongolei und den Iran bis Syrien, sondern auch mittels eines Netzwerks von Seerouten über den Indischen Ozean gen Westen gelangt, bis Arabien und Ägypten. Nur das Fehlen des Suez-Kanals verhinderte damals eine durchgehende nautische Verbindung: Vom nordöstlichen Mittelmeerraum aus erfolgte die Verteilung der Waren beider Routen gen Europa.
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2015 wurde daraus ein parteioffizielles Konzept der Nationalen Entwicklungs- und Reform-Kommission. Es trägt den Titel „Vision und Aktionen zum gemeinsamen Aufbau des Seidenstraßen-Wirtschaftsgürtels und der Maritimen Seidenstraße des 21. Jahrhunderts“ und prägt damit auch die aktuellen Begriffe: Der „Seidenstraßen-Wirtschaftsgürtel“ ist das neue Netzwerk transkontinentaler Landverbindungen, der Begriff „Maritime Seidenstraße“ meint ein Netzwerk von Schifffahrtslinien und Hafenbeteiligungen – und er will auch „strategische Triebkräfte für die Hinterlandentwicklung“ fördern, also Kooperationen bei küstenorientierter Infrastruktur.
Beide Netze zusammen bilden das Konzept der besagten BRI, die in den aktuellen Fünf-Jahres-Plan integriert wurde. Folgerichtig gilt sie damit als strategische Zielsetzung eigenen politischen Handelns und als Richtschnur zur Einbindung anderer Staaten in ein solches Netzwerk. Sie beschwört den „Geist der Seidenstraße“ als historisches und kulturelles Erbe: „Frieden und Zusammenarbeit, Offenheit und Inklusivität, gegenseitiges Lernen und gegenseitiger Nutzen“. Mit Blick auf die Geschichte mag man die Berechtigung solch hehrer Grundsätze bezweifeln – man kann den Chinesen dies aber als ihren eigenen Anspruch entgegenhalten.
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Die Tatsache, dass Züge heute schon Container aus China bis nach Hamburg, Duisburg und Rotterdam transportieren, kann niemanden überraschen, der sich hierzulande mit Logistik auskennt. „China kommt schneller als manch einer es wahrhaben will“ – dieser Satz des Bremerhavener Logistikexperten Professor Heinz-Jürgen Scheibe stammt aus den späten 1980er Jahren: An der dortigen Hochschule wurde damals – die Sowjetunion befand sich in der Ära Gorbatschow in rapidem Umbruch – aus Sicht westeuropäischer Häfen über die Wiederbelebung der „Transsib“-Eisenbahn diskutiert. Dabei wurden auch Optionen wie eine Verlängerung der Schienentrasse bis China oder etwa eine Beschleunigung der maritimen Verbindungen geprüft: von Fernost per Großschiff bis ins Mittelmeer und von dort – entweder via „Short Sea Shipping“ über Gibraltar oder über transalpine Trassen auf dem Landweg – nach Nordwesteuropa. Etliche dieser 30 Jahre alten Ideen sind heute – landseitig wie über See – längst Realität, andere sind von ihr überholt worden, und das nicht immer zum gesellschaftlichen Nutzen…
(Fortsetzung in genannten Quellen!)